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Dialog — Solist: Sergey Malov
1. September 2023 um 19:30
Yacin El Bay, Violine & Leitung
Sergey Malov, Violine & Violoncello da Spalla
Werke
Alfred Schnittke: Moz-Art à la Haydn: Spiel mit Musik für 2 Violinen, Streichorchester und Kontrabass
C.Ph.E. Bach: Konzert für Violoncello und Streichorchester a‑Moll Wq 170, H 432
Joseph Haydn: Sinfonie in D‑Dur «Le Matin» Hob. I:6
Zum Programm
Was für ein Auftakt! Für sein Saisoneröffnungskonzert hat das Soundeum Chamber Ensemble den international renommierten russisch-ungarischen Geiger Sergey Malov an Bord geholt. Wie kaum ein anderer seiner Gilde verkörpert er das Jahresmotto «Diversität» auf eindrückliche Art: Er ist nicht nur ein Meister auf der Geige, sondern ebenso auf der Bratsche und dem selten gespielten Violoncello da Spalla. Und er kennt sich in der historischen Aufführungspraxis des Barock ebenso aus wie etwa bei Paganini, Sibelius, der zeitgenössischen Musik oder in Folk, Jazz und Improvisation. In diesem Programm übernimmt er in Carl Philipp Emmanuel Bachs feurigem Cellokonzert in a‑Moll den Solopart, und das mit dem Violoncello da Spalla, einem «Mini-Cello» zwischen Bratsche und Violoncello, das um den Hals hängend gespielt wird – eine echte Rarität! In Alfred Schnittkes hintergründig-witzigem Stück «Moz-Art à la Haydn» spielt er an der Seite von Yacin El Bay mit der Violine die 2.Solostimme. Den Abschluss des Programms bildet Haydns frühe Sinfonie «Le Matin». Wie der Morgen den Tag eröffnet, so eröffnet diese heitere Sinfonie gleichsam die Saison.
Alfred Schnittke: Moz-Art à la Haydn: Spiel mit Musik für 2 Violinen, Streichorchester und Kontrabass
Der russisch-deutsche Komponist Alfred Schnittke (1934 – 1998) liebte es, mit Elementen alter Musik zu spielen und so in den Dialog mit früheren Epochen zu treten. Gerade die Wiener Klassik faszinierte ihn schon als Junge, als er nach dem Krieg eine Zeit lang als Sohn eines russischen Offiziers in Wien verbrachte. In seinem Stück Moz-Art à la Haydn aus dem Jahr 1977 greift er zurück auf die überlieferte Violinstimme aus Mozarts sonst verschollener Faschingspantomimen-Musik (KV 466). Wie Haydn sprüht Schnittke hier vor musikalischem Humor. Und wie in dessen «Abschiedssinfonie» lässt er die Spieler*innen am Schluss eins nach dem anderen von der Bühne schlurfen und die Lichter löschen. Allerdings setzt er noch einen drauf: Zu Beginn inszeniert er eine Art «Auftrittssinfonie». Die Bühne ist zuerst völlig dunkel, die Streicher beginnen über Mozarts Fragment zu improvisieren, mit wimmernden Sekundenmotiven, flirrenden Bogenstrichen und Pizzicati. Unter dem wilden Tremolo der Soloviolinen erhellt sich schliesslich die Bühne, bevor die Musiker mit dem stark verfremdeten Mozart-Allegretto beginnen. Es entspinnt sich ein witzig-ironischer Dialog zwischen den beiden Soloviolinen. Und immer wieder klingen Motive aus Mozarts Musik an, die dann, mal humorvoll, mal wild-grotesk, dekonstruiert werden.
Man könnte Schnittkes Stück als witzige Persiflage auf den Mozartkult verstehen. Oder aber als eine hintersinnige, humorvolle Auseinandersetzung mit dem unwiederbringlichen Verlust früherer Kompositionskunst. Schnittke dazu: «Manchmal denke ich an Alte Musik als eine wunderbare Art zu schreiben, die verschwunden ist und niemals wiederkehren wird. In diesem Sinne empfinde ich sie als tragisch.»
C.Ph.E. Bach: Konzert für Violoncello und Streichorchester a‑Moll Wq 170, H 432
- Allegro assai
- Andante
- Allegro assai
Mit seinem fulminanten Konzert für Violoncello und Streichorchester in a‑Moll von 1750 öffnete Carl Philipp Emanuel Bach (1714 – 1788) dem Cello ganz neue Wege. War es im Barock noch der treue Gefährte in der Tiefe, der dem Cembalo im Basso Continuo die linke Hand verstärkte, schwingt es sich jetzt zum virtuosen Soloinstrument auf, das einen lebendigen Dialog mit dem Orchester führt. Der zweite der Bachsöhne nutzt dieses Neuland, wo er kann: Mal lässt er das Cello wunderbare Kantilenen singen, mal mit dem Orchester in wilder Jagd um das Motiv balgen, dass die Funken stieben. Hoch emotional und expressiv war dieser neue Stil der «Empfindsamkeit», der Mitte des 18.Jahrhunderts den Barock ablöste und dessen Hauptvertreter Carl Philipp Emanuel Bach wurde. Mit seiner Musik voller zerrissener Melodien und ungewöhnlicher Sprünge, Harmonien und Wendungen begeisterte er nicht nur das Publikum im Berlin Friedrichs des Grossen, sondern später auch die Hamburger, wo er die Nachfolge von Telemann antrat und bis zu seinem Tod wirkte. Als «Hamburger Bach» war er zu seinen Lebzeiten weit berühmter als sein Vater Johann Sebastian und galt vielen Komponisten als Vorbild, so auch Haydn und Mozart.
Joseph Haydn: Sinfonie in D‑Dur Nr. 6, Hob. I:6 «Le Matin»
- Adagio – Allegro
- Adagio – Andante — Adagio
- Menuet
- Allegro
29-jährig war Joseph Haydn (1732–1809), als er am 1.Mai 1761 seinen Dienstvertrag als Vizekapellmeister am Fürstenhaus Esterházy unterschrieb. Wenig später legte er einen thematischen Zyklus von drei Sinfonien vor: «le Matin», «le Midi» und «le Soir». Sie sollten ihm die Gunst des Hofes, aber auch die Gunst der Musiker des hervorragenden Hoforchesters sichern. Und in der Tat erwies sich «Le Matin» als genialer Schachzug: Für viele seiner Musiker sah er eine solistische Aufgabe vor, mit der sie brillieren konnten. Damit stellte er seine Musiker wie seinen Arbeitgeber zufrieden und gab einen grandiosen Einstand am Hof, wo er dann 30 Jahre lang wirken sollte.
Zwar ist Haydns Sinfonie «le Matin» nicht Programmmusik im engeren Sinn, doch wenn er zu Beginn im Adagio die Streicher aus dem Nichts aufsteigen lässt und dann im Allegro unvermittelt die Flöte sich wie die Lerche jubelnd in die Höhe schwingt, dann sehen wir den erwachenden Frühlingsmorgen lebhaft vor uns. Dialog und Diversität kommen in dieser spritzig-eleganten Sinfonie wunderbar zum Ausdruck. Eine Vielzahl von Instrumenten, zuvorderst die Violine und die Flöte, aber auch andere Bläser, wie die Oboe oder das Fagott, ja sogar der Kontrabass, dialogisieren munter untereinander und mit dem Orchester. Der unwiderstehliche Charme und die heiter-gelöste Ausstrahlung dieses frühen Werks lässt schon den späteren grossen Meister der Sinfonie erahnen.
Text: Peter Hilfiker
Sergey Malov (*1983)
Der aus St. Petersburg stammende Geiger Sergey Malov gilt als ebenso vielseitig wie virtuos: Er spielt gleichermassen Violine, Viola, Barockvioline und Violoncello da Spalla – das Instrument, auf dem Johann Sebastian Bach wahrscheinlich seine Cellosuiten selbst gespielt hat. Sergey Malovs Repertoire reicht von frühbarocker Musik über Johann Sebastian Bach, den klassischen und romantischen Violinkonzerten bis hin zu Uraufführungen Neuer Musik.
Auf der Violine gewann Sergey Malov Preise beim Paganini Wettbewerb in Genua, beim Mozart Wettbewerb in Salzburg, beim Heifetz Wettbewerb in Vilnius und beim Michael Hill Wettbewerb in Auckland. Als Solist trat er mit Orchestern wie BBC Symphony Orchestra, dem London Philharmonic Orchestra, dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Deutschen Sinfonie-Orchester Berlin, dem hr-Sinfonieorchester Frankfurt, dem Enescu Philharmonic Orchestra, der Auckland Philharmonia oder dem Tokyo Philharmonic Orchestra auf.
Beim Leipziger Bach Wettbewerb wurde Sergey Malov mit der Barockvioline ausgezeichnet. Als Solist trat er mit der Akademie für Alte Musik Berlin, dem Venice Baroque Orchestra, dem Sevilla Baroque Orchestra, dem „Musica Viva“ Orchester Moskau, der Camerata Salzburg, dem Barockorchester Halle und dem La Cetra Barockorchester Basel auf.
Die Videos mit seinem Violoncello da Spalla wurden über eine Million Mal im Internet angesehen. Seit September 2017 ist Sergey Malov Professor für Violine an der Zürcher Musikhochschule.
Yacin El Bay (*1993)
Yacin El Bay ist einer der aufstrebenden jungen Musiker der Schweiz — Visionär einer neuen Generation von Geigern, Konzertmeistern und Ensembleleitern. Geboren 1993 in Bern als Sohn marokkanischer Eltern, wurde seine musikalische Begabung schon früh erkannt und er erhielt ein Stipendium für das Geigenstudium am Konservatorium Bern.
Seine ersten Lehrer*innen waren Marlyse Capt und Misa Stefanovic am Konservatorium Bern, später Monika Urbaniak-Lisik an der Hochschule der Künste Bern. Zu seinen Lehrern und Mentoren gehören auch Igor Karsko und Daniel Dodds an der Hochschule Luzern. Darüber hinaus hat er an Meisterkursen mit bekannten Musikern wie Benjamin Schmid, Barbara Doll oder Gerhard Schulz teilgenommen, um nur einige zu nennen. Seit September 2021 ist er Assistent der Geigenklasse von Daniel Dodds an der Hochschule für Musik Luzern.
Im Jahr 2016 gründete er das Soundeum Chamber Ensemble, dessen künstlerischer Leiter er bis heute ist. Das Soundeum Chamber Ensemble hat eine Reihe von Konzerten mit international geschätzten Solist*innen wie Isabel van Keulen, Christian Poltera oder Thomas Demenga präsentiert.
Er nahm an zahlreichen Musikfestivals in ganz Europa teil (u.a. Allegro Vivo Festival, Klang Basel Festival, Murten Classics, Hirzenberg Festival) und arbeitete mit herausragenden Musikerkolleg*innen wie Benjamin Schmid, Malwina Sosnowski und Daniel Dodds zusammen. Sowohl als Solist als auch als Ensemblemitglied ist Yacin El Bay in ganz Europa aufgetreten, von England über Mitteleuropa bis nach Polen und in die Türkei. Bereits mehrfach konnte er als Orchestermitglied mit den Festival Strings Lucerne wertvolle Erfahrungen sammeln.
Er spielt eine Violine von Gennaro Gagliano aus dem Jahre 1750, welche ihm von der Stiftung sostenuto zur Verfügung gestellt wird.